Bildung

Meine Positionen:

  • Schulen müssen endlich mit zeitgemäßer Technik ausgestattet werden. Hierzu gehört auch die Bereitstellung von - einheitlichen - PC's bzw. Laptops, Tablets und Smartphones mit angemessener Hardware für jeden Schüler, um diese in den Unterricht einbinden zu können. Dies beinhaltet ein adäquates WLAN in den Schulen, zumindest in den Klassenzimmern

  • Schulgebäude sind, wo noch nicht geschehen, zeitnah energetisch zu sanieren. Klimatisierung bzw. zumindest ein effektiver Sonnenschutz muss dort ermöglicht werden, wo Klassenzimmer besonders leicht überwärmen, wie Südseite und Dachgeschoß. Überaltertes Mobiliar ist unter Berücksichtigung auch ergonomischer Aspekte zu erneuern. Durch optische Gestaltung muss ein angenehmes Lernumfeld geschaffen werden
  • Religionsunterricht ist durch einen neutralen Ethik-Unterricht für alle Schüler zu ersetzen. Religiöse Symbole - gleich welcher Art - sind aus den Schulen zu verbannen
  • Die Zahl der Lehrkräfte - mit Lehramtsstudium - ist umgehend und erheblich zu erhöhen. Quereinsteiger im Lehrerberuf müssen die Ausnahme bleiben. Eine deutliche Reduzierung der Klassenstärken ist schnellstmöglich umzusetzen. Eine maximale Klassenstärke von 20 Schülern muss verbindlich festgelegt werden. Hierzu ist gegebenenfalls von der Schließung kleinerer Schulen abzusehen und bereits geschlossene Schulen - soweit möglich - wieder in Betrieb zu nehmen.
  • Lehrpläne aller Schularten und Jahrgangsstufen einschließlich Berufsschulen, Berufsfachschulen, (Fach-) Hochschulen und Universitäten müssen ohne ideologische Scheuklappen überarbeitet, "entrümpelt" und modernisiert werden. Die hierdurch frei werdenden Kapazitäten sind mit sinnvollen Lehrinhalten für den Lebensalltag bzw. den betreffenden Berufszweig aufzufüllen. Qualifikation verleihende Lehrinhalte sind hierbei besonders zu berücksichtigen und zu integrieren.
  • Die Dauer der Ausbildungen und Studien ist dementsprechend anzupassen. Sowohl individuelle Verkürzungen als auch Verlängerungen der Dauer dürfen kein Tabu sein
  • Berufliche Aufstiegs- und Fortbildungsmöglichkeiten sind deutilich zu erweitern und zu erleichtern. Dies schließt ein wesentlich umfangreicheres Angebot für berufsbegleitende Qualifizierung ein. Gesellenbrief und mehrjährige Berufserfahrung muss als Zugang zum Fachstudium anerkannt werden.
  • Der Meisterzwang ist dort als Voraussetzung für die berufliche Selbständigkeit abzuschaffen, wo die handwerklichen Fähigkeiten zumindest überwiegend in der Gesellenausbildung erlernt werden; nötigenfalls können einzelne, konkret zu benennende Tätigkeiten ohne Nachweis der Meisterprüfung untersagt werden. Stattdessen ist für die Selbständigkeit in einem Handwerksberuf eine individuell festzulegende Berufserfahrung von 3 oder 5 Jahren nachzuweisen.


Begründungen hierzu:


Spätestens durch die Corona-Krise zeigt sich ungeschönt der desolate Zustand unseres Bildungssystems. Die Liste der zu beklagenden Mängel ist schier endlos. Die Verantwortung hierfür trägt in Bayern vollumfänglich die CSU, welche zwischen Oktober 1957 und November 2018 über 60 Jahre ununterbrochen den Kultusminister in Bayern stellte und darüber hinaus seit Oktober 1957 bis heute ununterbrochen den Ministerpräsidenten. Dass seit November 2018 mit Michael Piazolo ein Minister der Freien Wähler das Ministerium leitet, ist wohl unbestritten nicht die Ursache für den verheerenden Zustand unseres Bildungssystems:

  • die technische Ausstattung der staatlichen Schulen entspricht nicht ansatzweise dem technischen Stand der Zeit. Alleine dass im Jahr 2020 ernsthaft gerade einmal damit angefangen wurde, für die Lehrkräfte persönliche eMail-Adressen einzurichten, zeigt wie es um das Gesamtpaket "Technische Ausstattung und Digitalisierung" bestellt ist und ist ein Armutszeugnis sondersgleichen. Dass man damit nicht nur in Bayern "Neuland" betritt sondern in vielen anderen Bundesländern auch, macht es dabei nicht besser. Sicherlich hat die technische Entwicklung in den letzten 30 Jahren einen rasenden Verlauf genommen, und damit Schritt zu halten ist kostenintensiv. Doch ein Blick in den Bayerischen Staatshaushalt zeigt, dass es sicherlich nicht an Geldmangel liegt. Es ist wie immer nur eine Frage der Verteilung. Doch wer Bildung einen derart geringen Stellenwert beimisst, dass im Jahre 2021 in den Schulen teilweise noch Computer mit Windows 95 in Betrieb sind und statt Laptop und Beamer oder gar Smartboard immer noch Overhead-Projektoren zum Einsatz kommen, der muss sich den Vorwurf des Versagens gefallen lassen.

  • Lehrpläne entsprechen oftmals nicht den Bedürfnissen und Erfordernissen einer auf das Leben - oder im weiteren Verlauf auf den Beruf - vorbereitenden (Aus-) Bildung. Vollgepackt mit veralteten, teilweise weltanschaulichen oder historisch gewachsenen Dogmen unterworfenen Inhalten bleibt für das wirklich Wichtige oftmals keine Zeit. Mediale Beachtung fand in diesem Zusammenhang 2015 der Twitter-Post einer 17-jährigen Schülerin aus Köln, die das Dilemma auf den Punkt brachte: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen." Damit traf sie mitten ins Schwarze, sogar die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) gab zu Protokoll, sie sei dafür, in der Schule stärker Alltagsfähigkeiten zu vermitteln. Sicherlich sind gerade für ein Abitur gewisse Lehrinhalte unabdingbar. Doch unzweifelhaft sind unsere Lehrpläne (immer noch) voll mit Inhalten, die man realitätsnäher überarbeiten oder auch in Gänze streichen könnte, um Platz zu schaffen für die Vorbereitung auf die Lebenswirklichkeit.

    Hierzu zählt für mich auch der Religionsunterricht. Religion ist etwas höchst persönliches. Niemand darf nach meiner Überzeugung zu Religiösität gezwungen werden. Doch genau dies geschieht durch schulischen Religionsunterricht, da hier Kinder an etwas herangeführt werden, das sie noch gar nicht verstehen und begreifen, geschweige denn entscheiden können. Niemand von uns wurde als Katholik oder Protestant oder Muslim oder Jude etc. geboren. Hierzu wurden wir gemacht - durch Indoktrinierung der jeweiligen Glaubensgemeinschaft. Und wären wir als Kind im Krankenhaus nach der Geburt vertauscht worden, wäre aus uns statt eines Katholiken ein Muslim oder Jude geworden und umgekehrt. Nach unserer Verfassung besteht eine Trennung zwischen Kirche und Staat. Ein Religionsunterricht hat daher in der Schule nach meiner Überzeugung grundsätzlich nichts zu suchen. Schon gar nicht nach dem im Bayern geltenden System, wonach selektiv konfessionsgebunden nach katholischer und evangelischer Religion getrennt unterrichtet wird und alle Kinder anderen Glaubens sich in einem Ethikunterricht wiederfinden. Glaubenslehre ist bestenfalls Aufgabe der jeweiligen Religion, Kinder sollten davor aber nach meiner Meinung eher geschützt werden denn dieses auch noch durch schulischen Zwangsunterricht, in Bayern als Krönung als Vorrückefach (!), zu unterstützen! Ein neutraler, religionsübergreifender Ethikunterricht frei von religiösen Doktrinen wäre hier nach meiner Überzeugung die deutlich bessere Bildung für unsere Kinder. Neutral an die verschiedenen Religionen herangeführt, um dann im Erwachsenenalter eigenständig die Wahl treffen zu können, welche Religion - wenn überhaupt - für einen persönlich die geeignete ist. Das wäre endlich einmal ein sinnvoll umgesetzter Bildungsauftrag.

    Darüber hinaus finden sich bei Berufsausbildung und Studium teils haarsträubend realitätsferne und veraltete Lehrinhalte. Hier kann ich aus erster Hand von den Erlebnissen meiner Frau bei ihrer Techniker-Ausbildung berichten. Nicht nur dass Lehrinhalte auf dem Stundeplan standen, die mit dem Beruf überhaupt nichts zu tun hatten und eher in die Rubrik "Bayerische Ideologie und Folklore" gehören, sie waren auch teils völlig überaltet und damit falsch. Ich war perplex als sie mir z.B. erzählte, dass in einem Fach mit einer DIN gearbeitet wird, die bereits zu Ausbildungsbeginn nicht mehr aktuell war und welche für die Abschlußprüfung 3 Jahre später ernsthaft als Stand des Wissens galt. Und dies ist nur ein Beispiel von vielen.

    Randanmerkung: in anderen Bundesländern erhält man mit dem erfolgreichen Abschluß der Techniker-Ausbildung das Fach-Abitur. Nicht so in Bayern. Meine Frau musste hierfür im Anschluß eine zusätzliche Mathematik-Prüfung ablegen. Doch Bayern wäre nicht Bayern, hätte man hier nicht einen Schildbürgerstreich parat: während der Techniker-Ausbildung gab es ein Fach "Mathematik II" - das abgewählt werden konnte, da nicht prüfungsrelevant. Es beinhaltete aber auch nicht den erforderlichen Lehr- und Prüfinhalt für das Fach-Abitur. Für was also war es eigentlich im Lehrplan vorgesehen? Und warum kann man dieses Fach nicht so ausgestalten, dass es die Anforderungen für das Fach-Abitur erfüllt? Warum muss man den Schülern hierfür im Anschluß - im Regelfall mit etlichen Monaten Verzögerung - erst noch eine separate Mathematikprüfung zumuten? Und da jammern gewisse Kreise über einen Fachkräftemangel...

    Doch auch bei unseren Universitäten sieht es nicht besser aus. Sicherlich kann man von einem frisch von der Uni ins Berufsleben hineingestolperten Bachelor (dieser Studiengang ist keinen Deut besser als der gute, altbewährte Dipl.-Ing.! Im Gegenteil!) nicht erwarten, dass er alles weiß und aus dem Effeff beherrscht. Doch die fachspezifischen Wissenslücken, welche meine Frau bei ihren "studierten" Berufskollegen beobachten muss, wenn diese gerade ihr Studium beendet haben, sind teilweise erschreckend. Hier ist ebenfalls dringender Handlungsbedarf bezüglich Lehrplan und Lehrinhalten gegeben. Thema "Duales Studium". Doch dazu weiter unten mehr.

  • Trotz teils massiver öffentlicher Kritik ist die Bayerische Staatsregierung bis heute nicht bereit, eine ausreichende Anzahl Lehrer einzustellen. Geschweige denn den Stellenschlüssel für Lehrer zu erhöhen. Nicht nur sind viel zu wenige Stellen vorgesehen, es sind auch viele dieser Stellen gar nicht mit einer Lehrkraft besetzt. Und gleichzeitig findet man - zweifelsohne aus Kostengründen - immer häufiger Quereinsteiger ohne Lehramtsstudium, welchen es naturgemäß an der fundierten pädagogischen wie methodisch-didaktischen Ausbildung eines Lehrers magelt. Lässt sich durch Erwerb des Ausbilderscheines der Bereich Methodik-Didaktik noch erlernen, ist hier nur eine "Berufspädagogik" vorgesehen. Diese mag im Bereich der Erwachsenenbildung / Berufsausbildung ausreichend sein, die pädagogischen Fachkenntnisse, wie man sie für den richtigen Umgang mit (pubertierenden!) Kindern und Jugendlichen benötigt, vermittelt dieser Ausbilderschein jedoch keinesfalls.

    Die Folge dieser grotesken Stellenpolitik sind überdeutlich: ein sichtlich gefallenes Bildungsniveau unserer Kinder, welches sich an vielen Stellen unserer Gesellschaft bemerkbar macht. Sprechen Sie einfach mal mit der Personalabteilung einer großen Firma über ihre Erfahrungen mit Bewerbern. Was man von diesen erzählt bekommt, mag man im ersten Moment nicht glauben. Eine Allgemeinbildung, welche diese Bezeichnung nicht mehr verdient, Rechtschreibung und Ausdrucksfähigkeit weit unterhalb der Toleranzgrenze, mathematische Fähigkeiten kaum vorhanden. Wenn die Frage "Wieviel sind 10% von 100" nicht beantwortet werden kann, erübrigt sich in der Regel alles Weitere.

    Erinnern Sie sich an die Proteste der Abiturienten über die angeblich zu schwere Mathematik-Prüfung 2019? Ich erinnere mich deshalb, weil die angeprangerten, vermeintlich zu schweren Prüfungsaufgaben durch die Medien gingen. Ich war in der Schule in Mathematik hundsmiserabel. Anders kann man es nicht beschreiben, beschönigen macht keinen Sinn. Jedoch: ich war auf der Realschule und habe entsprechend "nur" Mittlere Reife. Als ich die Aufgaben sah, traute ich meinen Augen nicht: die als zu schwer gescholtenen Abitur-Prüfungsaufgaben 2019 entsprachen dem Niveau meiner Realschul-Abschlußprüfung 1992! Nun gibt es schon länger - nicht ganz ernst gemeinte - Stimmen, das durch den Föderalismus entstandene unterschiedliche Bildungsniveau zwischen den einzelnen Bundesländern hätte zur Folge, dass der bayerische Qualifizierende Hauptschulabschluss in Bremen für das Abitur reichen würde. Aber hier zeigte sich eine ganz neue Qualität, nämlich dass die angehenden Abiturienten - auch die bayerischen - von heute scheinbar nicht einmal mehr das Niveau der Realschüler von vor 25-30 Jahren erreichen. Das könnte auch erklären, warum damals viele meiner Mitschüler eine Lehre zum Bankkaufmann /-frau begonnen haben, während man heute ohne Abitur kaum Chancen hat, in diesem Beruf unterzukommen. Ein Umdenken, eine Neuausrichtung ist in der Bildung also zwingend und dringend notwendig. Dies schließt eine deutliche Erhöhung sowohl der Planstellen als auch der tatsächlich eingestellten Lehrer zwingend ein. Nicht nur um hierdurch den Unterrichtsausfall zu minimieren, sondern vor allem um endlich die geforderte Reduzierung der Klassenstärken realisieren zu können. Es ist ja nun wirklich wissenschaftlich erwiesen, dass sich geringere Klassenstärken positiv auf das Lernen auswirken.
    Nur zum Nachdenken: um für die Berufsgenossenschaften Erste Hilfe Kurse abhalten zu dürfen, bedarf es einer Zertifizierung, und diese beinhaltet unter anderem eine maximale Teilnehmerzahl von 16-20 Personen. Und wir reden hier über 9 Unterrichtseinheiten. Aber unseren Schulkindern muten wir zu, ihr ganzes Schulleben lang in Klassenverbänden von 25-30 Schülern zu verbringen.

  • Ausbildungs- und Studienzeiten sind generell zu überdenken und anzupassen. Wenn die Regelausbildungszeit für Berufe zwischen 3 und 3½ Jahren liegt, muss die Frage gestattet sein, weshalb ein Studium in diesem Berufszweig ebenfalls nur 3 Jahre dauert. Entweder wird im Studium der berufspraktischen Ausbildung zu wenig Bedeutung beigemessen und es ist daher zu kurz, oder die Berufsausbildung dauert zu lange. Denn ein durch das Abitur erlangtes höheres Allgemeinwissen kann als Argument für ein im Verhältnis sehr kurzes Fachstudium allein nicht herhalten. Es ist zwingend zu überprüfen, welche Berufe auch mit einer geringeren Ausbildungsdauer als bisher auskommen können, und welche umgekehrt evtl. sogar eine längere Ausbildungsdauer benötigen. Ein vermutlich ideologisch bedingtes Festhalten oder Anstreben einer identischen Ausbildungsdauer in so vielen Berufen wie möglich trägt den individuellen Besonderheiten der jeweiligen Berufe jedenfalls nicht Rechnung.

    Das sogenannte "Duale Studium" soll hierbei nun Berufsausbildung und Studium kombinieren. Doch muss man kritisch hinterfragen dürfen, ob es denn nicht zwingend geboten wäre, im Prinzip jedes Studium als Duales Studium anzulegen? Wie schon geschrieben, sind die fachpraktischen Fähigkeiten nach einem Bachelor-Studium nicht sonderlich ausgeprägt. Umgekehrt muss es erlaubt sein zu fragen, ob ein Studium immer zwingend erforderlich ist, oder nicht oft genug eine "normale" Ausbildung die sinnvollere Ausbildungsvariante wäre.
    Beispielsweise wurde erst kürzlich für den Beruf der Hebamme die bisherige Berufsausbildung durch ein Duales Studium ersetzt. Jahrzehntelang konnte man diesen Beruf mit dem Nachweis der Mittleren Reife im Zuge einer Berufsausbildung erlernen. Weshalb hierfür nunmehr ein Studium und damit als Zugangsvoraussetzung (Fach-) Abitur erforderlich ist, konnte mir bis dato niemand plausibel erklären, zumal dieser Beruf ohnehin über Nachwuchsmangel klagt. Umgekehrt ist mir nicht klar, warum eine mehrjährige Berufserfahrung nicht ebenso als Zugangsmöglichkeit für ein Fachstudium zählt. Ein langjähriges berufliches Fachwissen ist allemal höher zu bewerten als das Abitur eines 18-/19-jährigen ohne Berufskenntnisse

  • In diesem Zusammenhang sei auch der sogenannte "Meisterzwang" angesprochen, also die Erfordernis die Meisterprüfung in seinem Beruf abgelegt zu haben, um sich Selbständig machen zu dürfen. Es muss mit Verlaub gefragt werden dürfen, was in den meisten Fällen der Meisterbrief über die Qualifikation des Handwerkers aussagt? Antwort: nichts! Im Regelfall dient der Meisterkurs dem Erlernen betriebswirtschaftlicher Kenntnisse, die zum Führen eines Betriebes hilfreich sind. Gepaart mit der Berechtigung, Gesellen auszubilden. Selten jedoch ist damit die Vermittlung und folglich das Erlernen weiterer handwerklicher Fähigkeiten verbunden. Ein Fliesenleger lernt in seinem Meisterkurs keine neuen Fliesenlegetechniken, der Bäcker keine neuen Teigknettechniken und der Metzger keine neuen Zerlege- oder Verarbeitungstechniken. Nein, seine handwerklichen Fähigkeiten erlernt man durch seine Berufsausbildung gepaart mit Talent und Passion und nicht zuletzt Berufserfahrung.

    Ad absurdum führt sich das System selbst, da es für diverse Berufe in Deutschland noch nie einen "Meisterzwang" gab! Teilweise ist es sogar möglich, sich ohne Berufsausbildung in gewissen Gewerben Selbständig zu machen. Beispielhaft nenne ich hier das Gaststättengewerbe. Hier reicht der ledigliche Besuch (!) des IHK-Pflichtseminars "Gaststättenunterrichtung" aus, welches sage und schreibe einen halben Tag dauert und keinerlei Prüfung beinhaltet. Und auch wenn es heißt, "die Teilnahme setzt gute Deutschkenntnisse voraus" - tausende Gastronomen ausländischer Herkunft ohne Deutschkenntnisse haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, ohne ein Wort verstanden zu haben, einen Vor- oder Nachmittag in einen Raum gesetzt und sich im Anschluß ihre Bescheinigung geholt. Um hierzulande ein Restaurant eröffnen zu dürfen, muss man also keine Berufsausbildung zum Koch - oder wenigstens irgendeinem anderen gastronomischen Beruf - absolviert haben, aber für andere Berufe muss es ein Meisterbrief sein. Es ist nicht zu verstehen.

    Statt also nach der vor einigen Jahren erfolgten teilweise Aufhebung des "Meisterzwang" jetzt wieder die berühmte "Rolle rückwärts" zu machen, und für etliche Berufe wieder den Meisterbrief als Voraussetzung für die Selbständigkeit festzulegen, wäre es viel sinnvoller, hierfür eine für jeden Beruf individuell festgelegte Mindest-Berufserfahrung von beispielsweise 3 oder 5 Jahren zu fordern. Einem erfahrenen Kfz-Gesellen mit 10 Jahren Berufserfahrung messe ich persönlich mehr Fachkompetenz bei als dem 23-jähringen, der im "Sprint" den Meistertitel erlangt hat.